Messtechnische Lösung für die Überwachung und Regelung von Abschlagsmengen aus einem Regenbecken
Applikations-Bericht | Wasser & Abwasser
- Überlaufschutz einer Kläranlage bei Starkregenereignissen
- Durchflussmessung von Abwasserfrachten in der teilgefüllten Rohrleitung eines Mischwasserkanals
- Modernes Regenwassermanagement mit abgestimmter Mess-, Regel-, Leit- und Antriebstechnik
Hintergrund
Starkregenereignisse stellen die Betreiber von Kanalnetzen und Kläranlagen zunehmend vor Herausforderungen. Flächenversiegelungen durch die anhaltende Urbanisierung verstärken die bestehenden Risiken. In Mischwassersystemen können die Abwasserfrachten bei veränderten Zuflussverhältnissen zu einer hydraulischen Überlastung der Kläranlagen führen. Eine erhöhte Gewässerbelastung ist die Folge.
Um Niederschlagswasser in Kanalnetzen zwischenzuspeichern und den kontinuierlichen Zufluss zu einer Kläranlage regeln zu können, werden Regenbecken genutzt. Neue rechtliche Rahmenbedingungen und strukturelle Herausforderungen vieler Betreiber erfordern in zunehmendem Maße einen automatisierten Betrieb dieser Bauwerke, um Überlast zu verhindern und die Sicherheit von Aufbereitungsprozessen auch bei extremen Regenfällen zu gewährleisten. Insbesondere viele kleinere und mittlere Kläranlagen sind jedoch auf eine solche Bewirtschaftung bisher noch gar nicht ausgelegt.
Vor dieser Herausforderung stand auch die ostwestfälische Gemeinde Schlangen. Sie betreibt über die Gemeindewerke Schlangen GmbH (GWS) ein Mischsystem mit einem Regenüberlaufbecken (RÜB) im vorgeschalteten Kanalnetz der örtlichen Kläranlage. Bereits in der Vergangenheit wurde hier über eine Zulaufregelung die Abwassermenge, die über das Kanalnetz weiter zu Kläranlage geleitet wird, begrenzt. Die Behandlung der überschüssigen Wassermenge erfolgt im Regenüberlaufbecken. So wird eine Überlastung des Kanalnetzes im Unterstrom des Beckens verhindert und der Zulauf der Kläranlage auf die zulässige Menge begrenzt.
Konkrete Messaufgabe
Bei Inbetriebnahme war das Rückhaltebecken mit einer mechanischen Abflussdrossel versehen. Diese war jedoch nicht kalibrierbar und entsprach daher nicht mehr den Anforderungen an die regelmäßigen Überprüfungen gemäß der Selbstüberwachungsverordnung Abwasser (SüwVO Abw) und der Vorläufervorschrift Selbstüberwachungsverordnung Kanal (SüwV Kan) des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Die zuständige Wasserbehörde forderte, das Entlastungsbauwerk entsprechend zu modernisieren.
Die Gemeindewerke entschieden sich zu einem intelligenten Regenwassermanagement. Hierbei sollte mit Hilfe einer Durchflussmessung, einer Steuereinheit und eines Schiebers die gesamte Abflussregelung des Kanals vollständig automatisiert werden. Da der Zulaufkanal zur Kläranlage als drucklose Freispiegelleitung ausgeführt ist, kam der Einsatz eines gewöhnlichen Durchflussmessgerätes für Prozessleitungen nicht in Frage. Die Messtechnik, die als Ersatz für die mechanische Abflussdrossel eingebaut wurde, entsprach nicht den Anforderungen an die Betriebssicherheit und konnte die gesetzlichen Vorgaben der Selbstüberwachungsverordnung dauerhaft nicht erfüllen. Der Betreiber suchte daher nach einer Alternative.
Realisierung der Messung
Der Betreiber setzt auf eine messtechnische Lösung der Partnerunternehmen KROHNE, PHOENIX CONTACT und VAG. Die Messlösung ist genau für die Anforderungen einer modernen Regenwasserbewirtschaftung entwickelt und ausgelegt. Sie umfasst Messtechnik (durch KROHNE), Steuerungs- und Leittechnik (durch PHOENIX CONTACT) sowie Antriebstechnik (durch VAG).
Die für die Automatisierung notwendige Regelgröße liefert der TIDALFLUX 2300 von KROHNE. Das magnetisch-induktive Durchflussmessgerät (MID) besitzt eine integrierte Füllstandmessung und kann daher – anders als gewöhnliche MID – auch in teilgefüllten Rohrleitungen messen. Das Messrohr des TIDALFLUX 2300 ist mit abrasionsfestem und chemisch beständigem Polyurethan (PUR) ausgekleidet. Seine glatte Oberfläche verhindert, dass sich Fett ansetzen kann und Ablagerungen entstehen. Dadurch reduziert sich der Bedarf an regelmäßiger Reinigung auf ein Minimum. Als Regelgröße dient der maximale Durchfluss, der vom Betreiber eingestellt wird. Das MID überträgt den aktuell gemessenen Durchfluss mittels 4…20 mA-Signal an die Steuerung.
Die Kleinsteuerung aus dem modularen Inline-Automatisierungssystem vom Typ ILC150 von PHOENIX CONTACT regelt die Auslaufmenge und überträgt die Daten des Bauwerks in die überlagerte Leittechnik auf der Kläranlage. Der jeweils gemessene Durchflusswert (Ist-Wert) wird hier mit dem vorgegebenen Sollwert des Betreibers verglichen. Gegebenenfalls wird die Schieberstellung so angepasst, dass der Sollwert nicht überschritten und ein kontinuierlicher Zufluss auch bei Starkregenereignissen gewährleistet wird.
Als Aktor wird der Regelplattenschieber ZETA von VAG eingesetzt. Angesteuert wird der Plattenschieber mit elektrischem Regelantrieb (für 1200 Stellbefehle pro Stunde) per Analogsignal (4…20vmA) aus der Leitwarte.
Nutzenbetrachtung
Der Betreiber profitiert von einer maßgeschneiderten Lösung, mit der sich der Überlastschutz bei Starkregenereignissen deutlich erhöht. Die Abschlagsmenge und Auslastung des Regenüberlaufbeckens lässt sich permanent überwachen und der Zulauf zur Kläranlage entsprechend regeln. Dadurch ist ein reibungsloser Aufbereitungsprozess sichergestellt. Auf diese Weise leistet die messtechnische Lösung einen wichtigen Beitrag zu einer nachhaltigen Kanalnetzbewirtschaftung und einem aktiven Gewässerschutz. Dabei ist besonders hervorzuheben, dass sich die Abschlagsmenge des Regenüberlaufbeckens reduzieren lässt und so die Vorflut weniger stark belastet wird.
Ein weiterer Vorteil für den Kunden: die einfache Inbetriebnahme. Hier machte sich bezahlt, dass die Mess-, Steuerungs-, Leit- und Antriebstechnik voll aufeinander abgestimmt ist. So ermöglichte die Bibliothek „Waterworx“ von PHOENIX CONTACT eine einfache Integration, da die jeweiligen Komponenten von KROHNE und VAG bereits als fertige Bausteine im System hinterlegt sind.
Zudem kann der Betreiber manuelle Aufwände und Serviceeinsätze im Kanal vor Ort weitestgehend vermeiden. Denn dank der Vernetzung mit der Leittechnik der Kläranlage werden alle Prozessdaten erfasst und dokumentiert. Alle Parameter lassen sich von der Kläranlage aus anpassen, so dass die Reinigungsleistung der Anlagen optimiert wird.
Für den Anwender ist die Messlösung zukunftssicher. Denn optional ist sie durch weitere Mess- und Regeltechnik erweiterbar. Zum Beispiel ließe sich mit einer Leitfähigkeitsmessung zusätzlich die Regenwasserbeschaffenheit und -belastung überwachen. Die Industrielösung der drei Partnerunternehmen ist dadurch bereits jetzt auch auf zukünftige analytische Messanforderungen ausgelegt. Als Komplettanbieter für die Messtechnik in der Wasser- und Abwasserindustrie kann KROHNE die hierfür notwendige Sensorik aus einer Hand liefern.